Podcastserie
Die Eiche im Irrhain
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	  			Eiche Fabian Kowollik
Ich bin schon so lange hier, ich weiß schon gar nicht mehr seit wann. Einige von uns stehen schon hier, seit dem es den Irrhain gibt – und das sind immerhin schon bald 400 Jahre! Ich kann euch sagen: In 400 Jahren passiert unglaublich viel. Der dreißigjährige Krieg, die Französische Revolution, die beiden Weltkriege, der Mauerfall und, und, und. Ich sag euch, ich kann euch Geschichten erzählen. Vor allem kann ich euch davon erzählen, was die Zeit mit mir gemacht hat. Vor ein paar Jahren hat ein Gewittersturm mir einen großen Ast abgerissen. Der Ast selbst war riesig – er wog soviel wie eine ausgewachsene Kuh.
Das hat eine schreckliche Wunde hinterlassen. Jetzt ist dort, wo der Astansatz war, eine große Höhle.Hier sind letztes Jahr Bienen eingezogen. Zuvor waren dort auch schon Wespen. Interessant sind solche Höhlen auch für Fledermäuse, Ameisen oder sogar Vögel wie dem Waldkauz. Diese Höhlen bieten nicht nur Schutz vor Fressfeinden, sondern auch einen geschützten Ort zur Aufzucht der Nachkommen. Bei mir ist also immer was los!
Die Krone von uns Eichen ist ein weiteres Hotel für viele Lebensformen. Hier finden sich zahlreiche Insektenarten, darunter Schmetterlinge und Bienen, die von den Blüten der Eiche angezogen werden. Unsere Blätter sind eine wichtige Nahrungsquelle für viele Raupen, die wiederum die Grundlage für die Nahrungskette bilden. Die Krone bietet auch Lebensraum für Vögel, die in den Ästen nisten und sich von den Früchten, unseren Eicheln, ernähren.
Über die Jahre bin ich sehr dick geworden. Mein Umfang beträgt etwa 4 m. Da geht es meiner Rinde wie einer Hosennaht und reißt auf. Das stört mich nicht besonders und vielen anderen Bewohnern gefällt das sogar sehr gut. In den Ritzen der Rinde finden sich oft Moose und Flechten. Die Rinde selbst bietet Schutz und Lebensraum für verschiedene Käferarten, die sich von ihr ernähren oder dort ihre Eier ablegen.
Wenn mein Stamm unter der Rinde von Pilzen befallen wird, entstehen häufig sogenannte „Mulmhöhlen“. Das ist verrottetes Holz, das eine Vielzahl von Mikroorganismen und Insekten anzieht. Diese Organismen spielen eine entscheidende Rolle im Abbauprozess und tragen zur Nährstoffrückführung in den Boden bei. Mein treuester Begleiter ist dabei der Eremit, auch Juchtenkäfer genannt. Der Käfer und ich sind ein super Team: Der Käfer frisst den Pilz und verlängert so mein Leben, und ich kann auf diese Weise dem Eremiten und seinen Nachkommen längerfristig ein Zuhause bieten. Fachleute nennen das „Symbiose“.
Die meiste Zeit seines Lebens verbringt mein Mitbewohner als Larve. Die männlichen Käfer leben dann nur wenige Wochen, während die Weibchen bis zu drei Monate alt werden können. Sie können zwar fliegen, entfernen sich aber nur maximal 2 km. Aus diesem Grund sind alte Laubbäume - bevorzugt Eichen wie ich - im Umfeld von entscheidender Bedeutung. Der Eremit gilt zudem als Schirmart für den Naturschutz. Das bedeutet, dass dort wo der Käfer nachweislich lebt, noch viele weitere holzbewohnende Arten vorhanden sind.
Eine große Gefahr stellen unsere altersschwachen Äste dar, die Wind und Wetter nicht mehr standhalten können. Vor allem dann, wenn es um die Sicherheit von Waldwegen geht. Damit abbrechende Äste hier nicht zur Gefahr werden, müssen die Waldeigentümer uns Bäume immer wieder kontrollieren und zurückschneiden. Das geht häufig nur mit teuren Arbeitsverfahren wie Hebebühnen oder Baumkletterern. Nur in äußersten Notfällen werden wir komplett gefällt, da wir viele Vorteile für die Tier- und Pflanzenwelt bieten und für den Naturschutz von großer Bedeutung sind.
Podcast: Die Eiche im Irrhain

 
        
 
             
		      	 
              
              
                 
                 
                